Excellent Exeter- Auslandspraktikum

Reportage von
Gast

6 Wochen Exeter- Abenteuer, Alltag und ganz viele tolle neue Freunde. Exeter bedeutet weder den ultimativen Kulturschock noch eine Stadt, die bei vielen Leuten auf der Bucket-Liste steht, aber sie zeitweilig Heimat zu nennen, war fantastisch und hat mich teilhaben lassen an einem typisch britischen Leben!

Um meine Zeit zwischen der Ausbildung und der Uni zu überbrücken, zog es mich für sechs Wochen nach Exeter. Mich hatten mehrere Punkte überzeugt, warum es eben nicht London sein sollte: Devon, das County, in dem sich Exeter und Torquay befinden, bietet eine wunderschöne Landschaft und ist typisch englisch- fernab der Metropole London, die zwar interessant und abwechslungsreich ist, aber die doch irgendwie zu international ist und die ich sowieso oft genug und regelmäßig besuche.  Ein weiteres schlagendes Argument: die Meeresnähe. Also entschied ich mich für Devon.

Angeboten wurde zunächst Torquay, eine recht große Küstenstadt an der sogenannten Englischen Riviera, wo die Praktikumsagentur ihren Sitz hat. Weil auf mein Profil Exeter besser passte, erhielt ich ein Angebot für Exeter, was circa eine halbe Stunde vom Meer entfernt liegt und viele Ausgehmöglichkeiten bietet. Hier herrscht weniger das Küstenortenflair sondern die Atmosphäre einer Großstadt.

An meinem ersten Tag trafen sich alle Neuankömmlinge bei der Partnerorganisation in Torbay. Das Meeting dauert nicht lange und so konnten wir den Tag in dieser kleinen, schönen Stadt am Meer genießen- bei fabelhaftem Wetter und warmer Temperatur. Hier konnte ich erste Freundschaften schließen. Dort entstand auch dieses wunderschöne Foto. England präsentierte sich mir an meinem ersten Tag von seiner allerbesten Seite.

 

Die Gruppe in Exeter ist kleiner und leidet unter einer geringeren Frequenz an Fluktuation, die dort platzierten Praktikanten bleiben also länger. Man kennt sich besser, da Individualreisende häufig in Exeter untergebracht werden. Die Gruppe in Exeter sind in der Regel auch gute zwei bis vier Jahre älter als jene in Torquay und Paignton, weshalb ich mich mit meinen 23 Jahren gleich wohlgefühlt habe und schnell Freundschaften schließen konnte. An meinem ersten Abend verstand ich mich mit einer so gut, dass wir uns binnen 10 Minuten unseres Kennenlernens dazu entschlossen, ein Getaway-Weekend zu machen. Dazu aber später ;-)

Dienstagabends treffen sich die Leute aus Torbay (also jene aus Brixham, Torquay und Paignton, die zusammengefasst Torbay heißen), im Pub in Torquay und mittwochs die Exetergruppe in einem Pub in Exeter. Jeden Donnerstag organisiert die Organisation etwas, woran alle teilnehmen können und dafür dann frei bekommen. Die Organisation lässt sich immer etwas Neues einfallen: eine Bootstour, Wasserpark, Cream Tea usw. Egal, was sie planen, es ist für uns gratis und man kann sich mit den Schülern und Praktikanten austauschen, die aus dem jeweils anderen Ort kamen.So lernt man sich besser kennen und der Weg für gemeinsame Aktivitäten am Wochenende wie auch unter der Woche ist geebnet.

Meine Gastfamilie hatte keine Kinder, ich hatte ein eigenes Zimmer und ein eigenes Bad. Ich hatte die Option der Selbstverpflegung gewählt, hatte ein eigenes Fach im Kühlschrank und konnte alles mitbenutzen. Nur die Lebensmittel kaufte ich selber und bereitete sie selber zu- oder ging mit meinen neu gewonnenen Freunden essen. Das erlaubte mir ohne schlechtes Gewissen, die verschiedensten Gerichte auszuprobieren. Es durfte aber auch gerne ganz klassisch ein Burger mit Fritten im Pub sein.

Weil das Wetter typisch britisch ist, sollte man immer einen Regenschirm wie auch eine Sonnenbrille mitnehmen. Es gab Tage, die sonnig begannen und im Laufe des Tages immer wieder und teils binnen 5 Minuten von Regen auf Sonne und wieder zurück schlugen. Man lernt die Sonnenstunden zu genießen und auch wenn die Temperaturen selten über Anfang 20 Grad schlagen, fühlen sich diese Temperaturen wärmer als daheim an, insbesondere wenn die Sonne scheint. . Über das Wetter können die Engländer lange Konversationen führen, weshalb es sich als eisbrechendes Thema bei Gesprächen und Smalltalk eignet. Oder man bietet ihnen eine Tasse Tee an- schwarzen Tee mit viel Milch und ggf. Zucker.

Das Praktikum hat mir sehr gut gefallen. Ich habe den ersten Platz gewechselt, weil der erste mir nicht zugesagt hatte, aber der zweite war perfekt. Ich arbeitete in einer Recruitmentagentur, weil ich im Personalbereich Fuß fassen möchte. Der erste Praktikumsplatz war nicht schlecht, nur war er nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Die Partneragentur hat sich schnell darum gekümmert und mir einen neuen Platz organisiert. Mein zweites Unternehmen lag in der Innenstadt, war wirklich sehr modern und meine Lunchpausen verbrachte ich immer mit einem Freund, den ich über das Programm kennengelernt hatte. Lunchpausen außerhalb des Unternehmens zu verbringen, empfand ich als typisch britisch. Wenn das Wetter gut war, aßen wir auf einer der zahlreichen Banken, manchmal holten wir uns für 3 Pfund das Meal Deal im Supermarkt, das einen Snack, ein Getränk und ein Sandwich beinhalteten, manchmal gingen wir in ein Bistro oder nahmen das Essen als Takeaway mit.

Mein Arbeitsleben war entspannter, als ich es von meiner Ausbildung kannte. Es begann jeden Tag um 9 und endete um 16 Uhr, inklusive eine Stunde Lunchpause, die ich mir eigenständig nehmen konnte. Die Menschen in Devon sind von entspannter Natur. Im Büro hatten wir jeden Freitag „Casual Friyay“, an dem wir nicht in smart-casual zur Arbeit kamen, sondern leger, was sehr entspannt war. Mir wurden schnell verantwortungsvolle Aufgaben zugetragen und man war immer bemüht, mir neue und interessante Dinge beizubringen. Ich wusste die Arbeitszeiten sehr zu schätzen, die meisten meiner Freunde arbeiteten von 9-5, der üblichen britischen Bürozeit.

 

Durch die Lage unserer beider Unternehmen konnten wir einen Teil der Pause mit essen verbringen und die andere damit, die Nebenstraßen ein wenig zu erkunden. So auch die Gandy Street, die oben abgebildet ist. Das Besonderes an dieser Straße ist, dass sie angeblich als Vorlage für die Winkelgasse in J.K. Rowlings Harry Potter fungierte. Wer liebt Harry Potter nicht? Es hat auch eine Bar eröffnet während meiner Zeit dort, die an die Welt der Zauberei angelehnt ist- absolut sehenswert! Der Anfang der Straße ist oben auf dem Foto abgebildet, allerdings sollte man sie weiter entlang gehen und sich ein Stück von der High Street entfernen, um Parallelen zwischen Gandy St und Winkelgasse zu erkennen.

Kleines Wissen to go: JK Rowling studierte in Exeter.

Abends gingen wir alle gemeinsam in einen der vielen Pubs oder tauschten uns an einem Platz am Flussufer aus. Am Wochenende unternahmen wir unterschiedliche Dinge, denn Exeter bietet sich als ausgezeichneten Ausgangspunkt für diverse Ausflüge: Plymouth, Bath, Bristol, Dartmoor, Jurassic Coast. Unüblich waren zwei weitere meiner Ausflüge, die nicht jeder macht: Cardiff, die walisische Hauptstadt, und Cornwall, was ich mit zwei Freundinnen Dank eines Mietwagens entdeckte. Der Freundin vom ersten Abend hatte sich noch eine weitere angeschlossen, weshalb wir Rosamunde Pilcher's und Poldark's Heimat zu dritt unsicher machten. Das Foto zeigt im Hintergrund den St. Michael's Mount. Leider hatten wir die "Flut" abgepasst und konnten so nicht hinüber gehen, da wir noch genug andere Dinge auf unserer Agenda hatten. Cornwall ist definitiv lohnenswert, doch diese wunderschöne Gegend sollte man mit dem Auto erkunden und wenigstens zwei Nächte einplanen. Exeter selbst ist keine Stadt, die ich als Touristin besucht hätte, aber es ist eine angenehme Stadt zu leben. Das Leben dort fühlt sich „typisch britisch“ an. Man hat schnell das Gefühl verloren, fremd zu sein, sondern fühlte sich selbst heimisch.  

Was ein wenig der Umgewöhnung bedarf, sind die Öffnungszeiten: Pubs und Clubs sind maximal bis 2 geöffnet, Geschäfte bis 17 Uhr, Lebensmittelgeschäfte bis 23 Uhr und am Sonntag bis 16 Uhr, der letzte Bus fährt um 23:30 Uhr aus der Innenstadt ab. Die Taxifahrt ist günstiger, wenn man anruft oder zum Taxiunternehmen geht, welches in der Innenstadt ist. Oder man geht zu Fuß, je nach dem Ort der Unterkunft durchaus möglich, allerdings sollte man sich vorher informieren, da viele Straßenlaternen um halb 12 abgeschaltet werden. Häufig kann man sich auch ein Taxi mit anderen teilen. Nachtbusse gibt es nicht, tagsüber fahren sie häufig, man sollte aber immer einen Zeitpuffer einplanen, da die öffentlichen Verkehrsmittel, je weiter man sich von London entfernt, unzuverlässiger werden. Wir alle lernten schnell, uns nicht immer ausschließlich auf die Busse zu verlassen.

Das Leben in Devon ist entspannter als das in der mit dem Zug 3,5 Stunden entfernten britischen Hauptstadt. Es beinhaltet Scones und spiegelt das tatsächliche England in jeder Faser seines Seins wieder. Es ist wert, über den Tellerrand Londons hinauszuschauen und sich auf das wahre England einzulassen.

Für alle Coldplay Fans: Exeter ist die Heimatstadt von Chris Martin; was mir direkt wieder den ein oder anderen Ohrwurm schafft.

Menschen, deren Wege sich ohne diese Erfahrung nicht gekreuzt hätten; die man, sollte man sich einmal zur selben Zeit am selben Ort befunden hätten, nicht angesehen hätte, werden plötzlich zu den besten Freunden.

Man bindet sich schneller an Leute, man lernt schneller Leute kennen. Jeder, der auch nur ein bisschen offen ist, gewinnt schnell neue Freunde- Freunde, mit denen man abhängt, lacht und wunderbare Erinnerungen teilt. Sie ersetzen die eigene Familie, die Freunde daheim, für einen bestimmten Zeitraum. Je leichter man sie kennenlernt, desto schwerer wird der Abschied. Sie sind eine Erfahrung, die oft über den Aufenthalt hinausgehen, und die man für immer mit der Zeit im Ausland verbinden wird.

Ich würde jederzeit zurück nach Exeter kehren, denn es ist eine einmalige Erfahrung. Man kann an sich wachsen, wird unabhängiger und einem ist die Möglichkeit gegeben, seine Fremdsprache zu verbessern. Man gewinnt internationale Freunde, sieht neue Orte und taucht in den englischen Alltag ein- es ist definitiv eine Erfahrung wert, die ich missen zu wollen nicht verstehen könnte.

Was war mein absolutes Highlight?

Ich kann es ehrlich nicht sagen. Ich würde mich auch nicht entscheiden wollen würden.

Eines der Highlighte war auf jeden Fall der Sonnenuntergang in Land's End, der Teil unseres Cornwall Roadtrips war.

Falls du dir unsicher bist, ob du überhaupt ins Ausland möchtest, kann ich dir nach mehreren Aufenthalten nun nur sagen, dass es immer einen Versuch wert ist. Die ersten paar Tage sind vielleicht einsam, wie wenn man in eine andere Stadt zieht, um zu studieren oder um eine Ausbildung anzufangen. Aber aus besser wird fantastisch. Man lernt so schnell viele neue Leute kennen und England ist nicht allzu weit von zu Hause entfernt.

Ich wünsche euch schrecklich viel Spaß dabei, eure eigenen Auslandserfahrungen zu machen, wo immer es euch auch hinzieht. Nutzt und genießt die Zeit :-) Alleine schon dieser Sonnenuntergang war es für mich wert und er war nur ein Bruchteil meiner Zeit in Exeter.